Wirbelstürme haben in Nordrhein-Westfalen offenbar Verwüstungen angerichtet. In Paderborn soll es Berichten zufolge bis zu 40 Verletzte gegeben haben.
Mit Blitz, Donner und heftigem Regen sind am Freitag von Westen her die für weite Teile Deutschlands erwarteten Unwetter aufgezogen. Die durch Tief «Emmelinde» bedingten Gewitter trafen zuerst Nordrhein-Westfalen.
Für Teile des Bundeslandes gab der Deutsche Wetterdienst (DWD) am frühen Nachmittag eine erste amtliche Unwetterwarnung wegen schwerer Gewitter heraus. Die Meteorologen weiteten die Warnung später auf Rheinland-Pfalz, Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg aus.
Mutmaßlicher Tornado in Lippstadt und Paderborn
Ein mutmaßlicher Tornado hat in Lippstadt (NRW) am Freitagnachmittag gegen 17 Uhr massive Schäden verursacht. Betroffen sei das gesamte Stadtgebiet, sagte ein Feuerwehrsprecher. Zahlreiche Dächer seien abgedeckt worden und Bäume auf Autos gestürzt. Fensterscheiben platzten und Autos wurden durch herabfallende Äste zerstört, sagte ein Feuerwehrsprecher. Teils seien die Bäume schon am Stamm umgeknickt, berichtete die Gemeinde Altenbeken bei Paderborn – wie von der Hand eines Riesen getroffen. Es habe aber weder Tote noch – nach bisherigen Meldungen – Verletzte gegeben.
Im Lippstadter Freizeitbad Cabrioli wurden zeitweise etwa 120 Badegäste eingeschlossen, weil umgestürzte Bäume den Eingang blockierten. Später seien die Eingeschlossenen befreit worden, berichtete die Feuerwehr.
Im Ortsteil Hellinghausen sei durch den Sturm die Spitze einer Kirche heruntergestürzt. Etwa 200 bis 300 Kräfte der Feuerwehr seien im Einsatz. Die Lippstadter Feuerwehr werde dabei von Kräften mehrerer Nachbarorte unterstützt.
Der Einsatzstab im Soester Rettungszentrum ziehe Kräfte aus der Region in Lippstadt zusammen, hieß es in einer Mitteilung. Es gehe zunächst darum, einen Überblick über die Schäden zu bekommen.
Mindestens 30 Verletzte in Paderborn
Auch im etwa 35 Kilometer entfernten Paderborn hat das Unwetter am Freitag große Schäden angerichtet. Dabei sind im Raum Paderborn 30 bis 40 Menschen verletzt worden, davon mindestens 10 schwer. «Im Zuge eines Gewitters hat eine Windhose am Freitagnachmittag eine Schneise der Verwüstung von West nach Ost mitten durch Paderborn in Richtung der östlichen Stadtteile gezogen», erklärte die Polizei am frühen Abend.
Die Beamten berichteten von Millionenschäden. In einem Gewerbegebiet seien Dächer von Hallen angerissen worden. Bleche, Dämmung und andere Materialien seien kilometerweit geflogen. Ein Feuerwehrsprecher berichtete von abgedeckten Dächern und entwurzelten Bäumen.
Für die Region hatte der Deutsche Wetterdienst DWD zeitweise die höchste Unwetterwarnstufe 4 ausgegeben – «extreme Gewitter» mit Hagelschlag, heftigem Starkregen oder extremen Orkanböen. Es seien mehrere Meldungen über Tornados eingegangen – nicht nur aus Lippstadt, sondern etwa auch aus Lüdenscheid und Meschede, sagte ein DWD-Sprecher. Diese Meldungen müssten aber noch überprüft werden.
Tornados auch in Bayern möglich
Abends im Mittelgebirgsraum und in Ostbayern, zunehmend auch im Osten Deutschlands, herrsche erhöhte Unwettergefahr durch schwere Gewitter, teilte der DWD auf seiner Internetseite mit. Dabei sei lokal mit extrem heftigem Starkregen um 40 Litern pro Quadratmeter in kurzer Zeit, Hagel mit bis zu fünf Zentimetern Durchmesser und schweren Sturm- bis Orkanböen mit Geschwindigkeiten zwischen 90 und 130 Kilometern pro Stunde zu rechnen. Vereinzelte Tornados seien demnach auch nicht ausgeschlossen.
Unwettergefahr im Süden nur noch lokal
Für Freitagabend und in der Nacht wurden auch in Süddeutschland Gewitter erwartet. «Die Unwettergefahr ist hier allerdings meist nur noch lokal und geht im Laufe der Nacht zurück», sagte DWD-Meteorologe Altnau. Am Samstag beruhigt Hoch «Zeus» das Wetter. Am Sonntag scheint vielerorts die Sonne, nur an den Alpen sind noch Gewitter möglich. «Am Montag kündigt sich dann mit einem neuerlichen Tief von Südwesten her die nächste Gewitterlage an», blickte Altnau voraus. Diese Gewitter treffen dann wahrscheinlich eher die Südhälfte Deutschlands.https://platform.twitter.com/embed/Tweet.html?dnt=false&embedId=twitter-widget-2&features=eyJ0ZndfZXhwZXJpbWVudHNfY29va2llX2V4cGlyYXRpb24iOnsiYnVja2V0IjoxMjA5NjAwLCJ2ZXJzaW9uIjpudWxsfSwidGZ3X3NlbnNpdGl2ZV9tZWRpYV9pbnRlcnN0aXRpYWxfMTM5NjMiOnsiYnVja2V0IjoiaW50ZXJzdGl0aWFsIiwidmVyc2lvbiI6bnVsbH0sInRmd190d2VldF9yZXN1bHRfbWlncmF0aW9uXzEzOTc5Ijp7ImJ1Y2tldCI6InR3ZWV0X3Jlc3VsdCIsInZlcnNpb24iOm51bGx9fQ%3D%3D&frame=false&hideCard=false&hideThread=false&id=1527679680140218370&lang=de&origin=https%3A%2F%2Fnews.upday.com%2Fde%2Fmutmasslicher-tornado-fegt-durch-lippstadt-schwere-schaeden%2F&sessionId=1a3d52cf82c5cc8126157cf1eeba9df37ea54c3a&theme=light&widgetsVersion=c8fe9736dd6fb%3A1649830956492&width=550px
Schäden im Süden, aber bislang keine Verletzten
In Rheinland-Pfalz und dem Saarland blieben trotz massiver Gewitter größere Schäden bis zum Abend aus. Polizei und Rettungskräfte meldeten vereinzelt umgestürzte Bäume, Hagelschäden an Autos sowie die Überflutung von Kellern. Meldungen über Verletzte gab es aber zunächst nicht.
Reisende im Fernverkehr der Deutschen mussten sich auf Einschränkungen einstellen. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen entfallen mehrere Halte, wie der Konzern am Freitagabend mitteilte. Demnach werden etwa auf der Strecke Köln – Wuppertal – Dortmund/Hamm die ICE- und IC-Züge zwischen Köln und Dortmund über Düsseldorf umgeleitet. «Die Halte Solingen, Wuppertal und Hagen entfallen», hieß es. Auf der Fernverkehrsstrecke zwischen Köln/Düsseldorf und Berlin verkehren derzeit aufgrund eines Notarzteinsatzes keine ICE zwischen Bielefeld und Hannover. Ob der Einsatz mit dem Unwetter zusammenhängt, wurde zunächst nicht bekannt.
Kurios: Weihnachtsmarkt abgesagt
Schon vor Beginn der Unwetter kam es zum Start ins Wochenende vielerorts in Deutschland zu Beeinträchtigungen. In manchen Regionen fiel am Freitag Unterricht aus – so sollten im Regierungsbezirk Köln die Schulen früher schließen. Einzelne Veranstaltungen wurden abgesagt, darunter eine Kuriosität in Solingen: Dort soll ein coronabedingt ausgefallener Weihnachtsmarkt nun erst ab Samstag und somit einen Tag später als geplant nachgeholt werden. Auch für den Reiseverkehr wurde mit Behinderungen gerechnet: Die Deutsche Bahn stellte ihre Kundschaft auf Verspätungen und Zugausfälle ein.
Hintergrund:
Bäume könnten entwurzelt werden, Dachziegel herabstürzen, Keller und Straßen mit Wasser volllaufen, warnte der DWD. Auch Schäden durch Hagel- oder Blitzschlag an Gebäuden, Autos und in der Landwirtschaft seien möglich. «Wie so oft trifft es in den angesprochenen Regionen nicht jeden, aber dort wo die Gewitter auftreten, werden sie heftig ausfallen», kündigte DWD-Meteorologe Sebastian Altnau an.
Schulen schließen früher oder fallen aus
Im Regierungsbezirk Köln endete der Schulunterricht nach Angaben der Bezirksregierung um 11.30 Uhr, damit die Schülerinnen und Schüler sicher nach Hause kommen konnten. In den vier übrigen Regierungsbezirken in Nordrhein-Westfalen lag die Entscheidung bei den Schulen oder den einzelnen Kommunen. Die für Freitag angesetzten Abitur-Nachschreibklausuren und Prüfungen an den Berufskollegs sollte es laut NRW-Schulministerium aber wie geplant geben.
Besondere Vorsicht im Ahrtal
In Rheinland-Pfalz blieben alle Schulen in Trägerschaft des Kreises Ahrweiler geschlossen. Die Bevölkerung solle die weiteren Wettervorhersagen im Radio, TV und Internet sowie über die Warnapps Katwarn und Nina mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen. Im Ahrtal wurden Mitte Juli 2021 bei einem Hochwasser nach extremem Starkregen 134 Menschen getötet und Tausende Häuser verwüstet. Bis heute leben viele Menschen in Ausweichquartieren.
Die Deutsche Bahn erwartete im Westen, der Mitte und im Osten Deutschlands Unwetter-Auswirkungen auf den Schienenverkehr. Fahrgäste, die ihre für Freitag geplante Reise verschieben wollten, könnten ihre gebuchten Fernverkehrstickets bis einschließlich sieben Tage nach Störungsende flexibel nutzen. Sitzplatzreservierungen könnten kostenfrei umgetauscht werden, hieß es auf der Website der Bahn.
NRW-Innenminister: Bleiben Sie zu Hause
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) rief die Bevölkerung zu besonderer Vorsicht auf: «Bleiben Sie bitte zu Hause. Vermeiden Sie Aufenthalte im Freien», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Zahlreiche Veranstaltungen wurden vorsichtshalber abgesagt. So fiel eine in Bad Münstereifel mit Kardinal Rainer Maria Woelki geplante Dankfeier für Helfer der Flutkatastrophe vom vergangenen Juli aus. In Köln wurden unter anderem der Zoo und der Forstbotanische Garten geschlossen, auch die Friedhöfe sollten ab dem Nachmittag für Besucherinnen und Besucher zu bleiben. Es könnten Bäume umstürzen oder Äste abbrechen, teilte die Stadt mit. Der Dortmunder Zoo blieb den ganzen Freitag geschlossen.