Gehört hat es jeder schon einmal: Alle sieben Jahre verändert sich der Mensch – seine Figur, seine Haare, ja sogar die Persönlichkeit.
Lange galt das als reiner Mythos. Die moderne Zellforschung stellt jetzt fest: Der Körper erneuert sich tatsächlich. Es dauert allerdings keine sieben Jahre.
Organe, Knochen, Haut – fast alle Körperzellen „wachsen nach“, wenn alte Zellen sterben.
Nach zwei Jahren ist die Leber komplett neu, nach zehn unser Skelett.
Ausgerechnet unser Herz muss eine Leben lang mit der Mehrzahl derselben Zellen auskommen – maximal 40 Prozent erneuern sich.
Natürlich verändert sich jeder Mensch – körperlich, geistig, psychisch. Das ergibt sich schon zwangsläufig durch die verschiedenen Lebensphasen.
Wer will, kann sogar Sieben-Jahres-Phasen erkennen: vom Säugling zur Siebenjährigen, die ihre Milchzähne verliert, zur 14-Jährigen in der Pubertät, zur 21-jährigen Erwachsenen, zur 28-jährigen Mutter …
Anthroposophie trifft Zellbiologie
Lang galt der Sieben-Jahres-Rhythmus als reiner Mythos, entwickelt von Rudolf Steiner als Teil seines anthroposophischen Weltbilds. Dabei kam es ihm in erster Linie auf die Entwicklung der „Wesensglieder“ eines Menschen an, also Persönlichkeit, Charakter, Psyche.
Er sagte aber auch: „Der Mensch stößt im Laufe von sieben bis acht Jahren seine sämtliche physische Materie ab und erneuert sie.“ Und hier trifft sich Esoterik mit moderner Wissenschaft.
Auch der schwedische Zellbiologe Jonas Frisén vom Karolinska-Institut kennt die Mär von den Umschwüngen alle sieben Jahren. Er forscht seit Jahren auf dem Gebiet der Zellerneuerung und sagt: „Ich habe tatsächlich etwas Amateur-Recherche zu diesem Mythos angestellt, leider ohne Erfolg.“
Zellen erneuern sich – nur nicht im Sieben-Jahres-Rhythmus
Dennoch: Körperzellen erneuern sich, und nach allem, was heute bekannt ist, hat der Mensch tatsächlich alle sieben bis zehn Jahre einen fast neuen Körper. Dabei erneuern sich manche Zellen, etwa die der Haut, innerhalb von Tagen, andere bleiben ein Leben lang in ihrem Urzustand, etwa die Zellen des zentralen Nervensystems.
Jonas Frisén sagt zur unterschiedlich schnellen Erneuerung von Zellen: „Manches Gewebe wird mechanisch stark beansprucht, etwa die Schleimhaut in Magen und Darm. Viele Zellen gehen verloren und müssen schnell ersetzt werden.“
Andere Zellen, etwa im Gehirn, müssten lang halten, weil sie dauerhafte Information speichern. „Es wäre nicht hilfreich, wenn unsere Zellen fürs Gedächtnis ständig mit neuen, leeren Zellen ersetzt würden.“
Zellerneuerung ist ein fließender Prozess
Die Erneuerung läuft unbemerkt, da sich natürlich nicht alle Zellen gleichzeitig oder auch gleich schnell austauschen. Lebensstil und Krankheiten verändern und verzögern die Zellerneuerung. Mit den Jahren verlangsamt sich der Prozess, und es sterben mehr Zellen ab als neue nachwachsen.
Beispiel Knochen: Jedes Jahr tragen Osteoklasten acht bis zehn Prozent altes Knochengewebe ab, Osteoblasten bauen es wieder auf.
Alle zehn Jahre haben wir dadurch ein neues Skelett. Zumindest bis der Hormonabfall in der Lebensmitte den Aufbau stark abbremst. Statt junger Knochen bekommen wir Osteoporose.
Auch sich schnell erneuernde Zellen geben irgendwann auf
Auch das Regenerationswunder Haut bleibt nicht ewig jung, glatt und prall. Hautzellen erneuern sich alle zwei bis fünf Wochen. Aber unter Sonneneinfluss läuft die Zellalterung 80 Prozent schneller.
Unser Entgiftungsorgan Leber braucht nur 300 bis 500 Tage, bis es einmal komplett erneuert ist. Wird es aber überstrapaziert, etwa durch viel Alkohol, Medikamente oder Drogen, fällt die Regeneration aus.
Jonas Frisén vom Karolinska-Institut machte 2005 von sich reden, als er die komplette Austauschzeit verschiedener Körperteile errechnete:
Neben den zehn Jahren des Skeletts und den knapp zwei Jahren der Leber kam er für den Dünndarm auf 16 und für die Rippenmuskulatur auf 15 Jahre für die Runderneuerung. Viel schneller sind Lungenbläschen (acht Tage), die Magenschleimhaut (eine Woche) oder rote Blutkörperchen (vier Monate).
Das Herz schlägt ein Leben lang fast unverändert
Warum manche Körperzellen sich ständig erneuern, andere von Geburt an unverändert bleiben, ist noch nicht ganz geklärt. Vor allem, warum das viel strapazierte Herz sich kaum erneuert, ist ein Rätsel.
Jonas Frisén veröffentlichte 2015 eine Studie über die Zellerneuerung unseres Lebensmotors. Im Fachmagazin „Cell“ kamen der Zellforscher und sein Team zum Schluss, dass das Herz eines jungen Erwachsenen jedes Jahr maximal ein Prozent neue Zellen bildet, ein gesundes Seniorenherz schafft höchstens noch ein halbes Prozent.
Selbst in einem langen Leben erneuern sich höchstens 40 Prozent der verschiedenen Herzzellen eines Menschen.